„Wie sag ich’s meinem Partner?“ – Teil 3 der Artikelserie „Wahrhaftige Beziehung“

Der Mann von Marie ist drei Tage pro Woche beruflich in Nürnberg und übernachtet in einem Hotel. Tatsächlich kann sie nie so genau wissen, was er dort tut. Sie kann es nicht kontrollieren. Er könnte sich einmal pro Woche – oder öfter – mit einer anderen Frau treffen und es vor ihr verheimlichen. Mit dem Risiko, dass es eines Tages auffliegt.

Verheimlichen, verzichten oder dazu stehen?

Die Klassiker: Lippenstift am Hemd, fremdes Parfum und eine verräterische Nachricht am Handy zu später Stunde. Oder die Arbeitskollegen bekommen es mit. Oder die „Andere“ bekommt Gewissensbisse und meldet sich von sich aus. Oder sie will sich rächen, weil er Marie doch nicht für sie verlässt. Oder Marie wird misstrauisch und spioniert ihm hinterher… ganz viele Möglichkeiten für Stress.

Jetzt fragst Du natürlich zu Recht, ob der liebe Ehemann der Versuchung nicht einfach widerstehen und treu bleiben könnte. Ja, könnte er! Es gibt Menschen, die in ihrer langjährigen, monogamen Partnerschaft sehr glücklich sind und tatsächlich kein Bedürfnis nach intimen Begegnungen mit anderen Menschen haben.

Und es gibt Menschen, Situationen und Augenblicke, wo plötzlich alles anders ist. Wo unerwartet Starkstrom fließt. Und wo man eine wichtige, prägende oder einfach nur wunderschöne Erfahrung verpassen würde, wenn man die Gelegenheit nicht ergreift.

Mut zur Offenheit

Marie’s Ehemann fühlt sich einsam nach einem langen Arbeitstag, er sehnt sich nach Austausch und einem guten Gespräch, nach Berührung und vielleicht auch einer neuen sexuellen Erfahrung.

Er ist mutig und ergreift die dritte Möglichkeit:

Er sagt seiner Frau offen, dass er gerne eine Frau wiedertreffen würde, mit der er sich kürzlich angeregt unterhalten hat. Oder dass er z.B. zu einer Erotik-Party gehen möchte.

Dass bereitet Marie natürlich zunächst mehr Kopfzerbrechen und möglicherweise schlaflose Nächte als wenn er es für sich behalten hätte. Aber immerhin hat sie jetzt die Möglichkeit, aktiv mit ihm auszuhandeln, was die beiden leben wollen und was nicht. Was für eine Art Partnerschaft sie wollen. Welche Freiheiten sie sich selbst gönnen möchte (auch Marie liegt abends ziemlich einsam in ihrem Bett wenn die Kinder schlafen).

Sie ist nicht mehr die „Ahnungslose“, die „Betrogene“, sondern sie ist eine, die aktiv mitgestalten kann. Sie ist Akteurin anstatt Opfer. Und das bringt den beiden für die Entwicklung ihrer Beziehung weitaus mehr als Schweigen und Vertuschen!

Hier kommst Du zum ersten Teil der Artikelserie: „Muss ich meinem Partner alles sagen?“, und zum zweiten Teil: „Verheimlicht mir mein Partner etwas?“

„Offiziell und erlaubterweise“

Ich bin mir sicher, dass Beziehungen, in denen „offiziell und erlaubterweise“ die Möglichkeit besteht, ab und zu ein sexuelles Abenteuer zu erleben, stabiler sind als Beziehungen, in denen gelogen, betrogen und hintergangen wird, dass sich die Balken biegen. Und das passiert. Gar nicht mit „böser Absicht“ sondern um den Partner „zu schonen“. Und weil man nicht den Mut aufbringt, zu sich und seinen Wünschen zu stehen und den Partner damit zu konfrontieren. Und am Ende fallen alle aus allen rosaroten Wölkchen.

Ich bin sogar sehr zuversichtlich, dass Beziehungen, in denen „offiziell und erlaubterweise“ das eine oder andere Abenteuer möglich ist, stabiler sind als Beziehungen, in denen das Konzept sexueller Treue stillschweigend vorausgesetzt und sogar eingehalten wird. Denn was passiert nach ein paar Jahren? Es wird langweilig im Bett, das Gras auf der anderen Seite des Zaunes wird immer grüner, aber weil man sich ja Treue versprochen hat, kann man es nur probieren, wenn man sich vorher trennt. Das nennt sich dann „serielle Monogamie“.

Sicher, man kann etwas tun, damit es im Bett nicht langweilig wird, auch nach vielen Jahren nicht. Je nach Typ wird das aber auch sexuelle Fantasien mit anderen Menschen einschließen und möglicherweise wird auch der Wunsch nach Erfüllung dieser Fantasien auftauchen. Und damit sind wir wieder bei der Frage, ob es „offiziell und erlaubterweise“ möglich ist, auch mit anderen Menschen intensive Begegnungen zu haben – von erotisch bis liebevoll.

Was also tun? Wie dieses „heiße Eisen“ ansprechen?

Idealerweise noch bevor tatsächlich etwas „passiert“ ist. Am allerbesten gleich am Anfang einer Beziehung. Nicht automatisch davon ausgehen, dass „wir sind jetzt zusammen“ gleichbedeutend ist mit „wir haben Exklusivität auf allen Ebenen“.

Wenn Du eine Fantasie, einen Wunsch, eine Sehnsucht hast, und Du glaubst, dass Dir eine für Dein Leben wesentliche Erfahrung entgeht, wenn Du Dir diesen Wunsch nie erfüllen wirst können – dann teile das mit Deinem Partner / Deiner Partnerin! Gib ihm / ihr die Chance, Dich besser kennen zu lernen. Mit allem, was Dich ausmacht, auch mit Deinen vermeintlichen „Schattenseiten“. Und vielleicht geht es Deinem Partner / Deiner Partnerin ja genauso?

Auch die „Schattenseiten“ zumuten?

Wir sind alle nicht ohne Fehler. Sie machen uns menschlich. Der Versuch, offen und ehrlich damit umzugehen, ohne die Verantwortung dafür abwälzen zu wollen, wird Dich Deinem Partner / Deiner Partnerin ziemlich sicher näher bringen und Eurer Beziehung mehr Tiefe geben.

Ich glaube nicht daran, den Partner / die Partnerin „schonen“ zu wollen. Vermutlich möchte man sich damit vor allem selbst vor der Konfrontation schützen. Es kommt aber sehr wohl auf das „Wie“ an.

Es geht nicht darum, „die Wahrheit“ zu sagen oder zu „beichten“. Viel wichtiger ist es, zu zeigen, was gerade in einem vorgeht. Das meine ich mit „Wahrhaftigkeit“.

  • Dass ich gerade keine Lust auf romantische Zweisamkeit habe, weil die Arbeitswoche so stressig war. Dass mir eine Kopfmassage aber helfen könnte.
  • Dass mich der neue Kollege mit seinen blauen Augen gehörig durcheinander bringt und ich mir nicht sicher bin, wie ich auf seine Avancen reagieren soll.
  • Dass ich gerade nicht weiter weiß, weil ich Angst vor Arbeitslosigkeit / Krankheit / Enttäuschung habe und deshalb mehr trinke als ich eigentlich möchte.
  • Dass ich mich schon lange nicht mehr wirklich spüren kann und die Sehnsucht danach, mich wieder lebendig zu fühlen, immer größer wird.

Solche Aussagen geben dem Gegenüber ein Bild von meinem momentanen Gefühlsleben. Er oder sie kann Anteil nehmen und ist eingeladen, sich ebenfalls ungeschminkt und unperfekt zu zeigen.

Je nach Schwere des Problems wird es nicht mit einem Gespräch gelöst sein. Aber gerade das An- und Aussprechen schwieriger Themen kann – nachdem das Thema durch ist – zu einer spürbar größeren Nähe und Verbundenheit führen.

Oft bemerken die Partner erst dann, wie groß zuvor die Anspannung und die Anstrengung, dem Thema aus dem Weg zu gehen, gewesen sind.

Größtmögliche Transparenz

Mein Partner und ich haben uns dafür entschieden, uns so weit wie möglich gegenseitig daran teilhaben zu lassen, wie es uns gerade geht. Wann wir dazu neigen, uns gehen zu lassen (Faul sein, nächtelang Computer spielen, Naschen und Rauchen sind da unsere Favoriten ;-)), welche Gefühle wir gerade haben, ob wir andere Menschen attraktiv finden, ob wir uns gerade nach mehr Nähe oder mehr Freiheit sehnen.

Das funktioniert für uns schon seit vielen Jahren. Wir haben uns dadurch sehr gut kennengelernt, vor allem weil wir viel miteinander reden. Nicht nur oberflächlich und über Alltags-Sorgen, sondern über Themen, die uns tief berühren und beschäftigen. Es tut uns gut und erleichtert uns, mit dem Menschen, der uns am nächsten ist, über alles sprechen zu können.

Auch wir kennen Heimlichkeiten aus früheren Beziehungen, die uns oft zunächst als „der einfachere Weg“ erschienen sind, die letztendlich aber zu viel Stress und Lügen geführt haben. Das wollen wir nicht mehr.

Das eigene Selbstbild korrigieren

Was hält Dich davon ab, Dich ganz zu zeigen? Wovor hast Du Angst? Was könnte herauskommen?

Dass Du in manchen Bereichen nicht der Mensch bist, für den Dein Partner Dich gehalten hat.

Dass Du in manchen Bereichen nicht der Mensch bist, für den Du gehalten werden willst. Als der Du Dich selbst sehen willst.

Die meisten Menschen, die in Heimlichkeiten schlittern, haben sehr hohe Ansprüche an sich selbst. Sind sehr kritisch mit sich. Und leiden dann doppelt. Dass sie eine Schwäche haben, mit der sie nicht gut umgehen können, und darüber hinaus, dass sie nicht ehrlich sind. Das kann auf Dauer sehr belastend werden.

Liegt das Thema einmal auf dem Tisch, gibt es Möglichkeiten damit umzugehen, die man nicht hat, solange es verschwiegen wird. Wenn aussprechen allein noch nicht genug ist, sucht man am besten gemeinsam mit einer Beraterin, einem Coach oder Therapeuten nach neuen Wegen. Es gibt viel mehr kreative Möglichkeiten und Menschen, die diese schon leben, als Du Dir im Moment wahrscheinlich vorstellen kannst. Auch wenn man für manche ganz schön über den eigenen Schatten springen muss…

Warum ist mir das so wichtig?

In unserer alltäglichen Welt tragen wir oft eine Maske. Das kann nützlich sein, um uns zu schützen, um erfolgreich zu werden, um professionell zu wirken, um uns an die gesellschaftlichen Regeln anzupassen. In der Öffentlichkeit und in der Arbeitswelt authentische, intensive Gefühle wie Wut oder Trauer oder sogar Freude zu zeigen, kann uns Nachteile bringen, weil es als unpassend, unkontrolliert, unberechenbar und unerwünscht eingeordnet wird.

Manipulation, Informationen zurückhalten, Menschen gegeneinander ausspielen, ein Poker-Face aufsetzen – das alles sind gängige Instrumente, um sich in einer wettbewerbsorientierten Welt durchzusetzen.

Masken ablegen

Mir geht es hier aber vor allem darum, dass wir im Umgang mit unseren liebsten Menschen, mit denen wir eine intime Beziehung pflegen keine Maske tragen müssen.

Dass wir heimkommen können und uns wirklich „daheim“ fühlen können. Angenommen mit all unseren wichtigen Persönlichkeitsanteilen. Bei jemandem, der uns kennt und trotzdem liebt.

Ich glaube, dass wir in letzter Konsequenz uns selbst gegenüber verpflichtet sind, herauszufinden, wer wir wirklich sind. Dass wir uns am Sterbebett fragen werden: „War das wirklich MEIN Leben, das ich gelebt habe?“ Dass es unsere Aufgabe ist, solange wir leben, herauszufinden, wie wir gemeint sind und was wir in die Welt bringen können.

Gemeinsam forschen

Und dieser Forschungsprozess macht einfach viel mehr Spaß, wenn wir ihn gemeinsam mit unserem Partner durchleben, als wenn wir allein und versteckt hinter verschlossenen Türen unsere Experimente machen!

Mein Mann hat einmal zu mir gesagt: „Du glaubst gar nicht, was es für mich bedeutet, dass ich mich zum ersten Mal in einer Beziehung mit all meinen Wünschen, Träumen, Sehnsüchten, Ängsten, Unsicherheiten… zeigen kann!“

Dein Partner / Deine Partnerin wird Dich dafür lieben, wenn er / sie „ganz“ da sein darf!

Du willst keinen Teil der Serie „Wahrhaftige Beziehung“ verpassen? Dann abonniere meinen Blog indem Du ganz unten auf dieser Seite Deine Email-Adresse eingibst. Schön, dass Du dabei bist! 🙂

Und zum Schluss noch ein besonderes „Bonbon“: Ich habe meine Blogger-Kollegin Lotta Frei (www.lottafrei.de) gebeten, aus ihrer Erfahrung ein kurzes Statement zu schreiben, wie man den Wunsch, einen Swingerclub zu besuchen, am besten an den Partner / die Partnerin bringt:

MSS: „Liebe Lotta, sehr oft sind es sexuelle Fantasien und Wünsche, die in einer Beziehung nicht ausgesprochen werden (können) und dann für Heimlichkeiten sorgen. Du beschäftigst Dich in Deinem Blog vor allem mit dem Wunsch, einen Swingerclub zu besuchen. Wie spricht man so einen heimlichen Wunsch beim Partner / bei der Partnerin am besten an? Hast Du da Tipps?“

Lotta Frei: „Viele Swingerclub-Interessierte haben Angst, ihre Fantasie dem Partner mitzuteilen. Aber durch das Verschweigen von Sehnsüchten entsteht ein Stillstand, der langfristig viel gefährlicher für die Beziehung werden kann. Man sollte nicht den Fehler begehen, und für den Partner mitdenken, seine Reaktion vorausahnen. Erstens kann es ganz anders kommen, zweitens hat auch der Partner das Recht, seine Meinung dazu selbst zu vertreten. Es gibt viele Lösungen für die Fantasie Swingerclub – nicht nur die, dass beide sich schon am nächsten Wochenende gemeinsam in eine Orgie stürzen.“

MSS: „Wenn der Partner / die Partnerin komplett abblockt und von dem Thema überhaupt nichts hören will – ist Heimlichkeit dann eine Option, um sich seine Wünsche doch noch erfüllen zu können? Wie siehst Du das?“

Lotta Frei: „Ich bin kein Freund von Heimlichkeiten. Es mag aber Situationen geben, in denen ein Gleichgewicht zwischen Verschweigen und Nicht-Wissen-Wollen besteht. Von Paarberatern weiß ich, dass so ein Arrangement durchaus funktionieren und zur Stabilität der Beziehung beitragen kann. Ich favorisiere aber ganz klar den ehrlichen Austausch und den Versuch, einen Kompromiss zu finden. Dafür ist es aber wichtig, klar zu seinen sexuellen Sehnsüchten zu stehen.“

MSS: „Danke, Lotta!“

Foto: geralt, pixabay

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