Ich komme gerade aus dem Fitness-Center. Bauch-Bein-Po-Stunde. Fast ausschließlich Frauen zwischen 20 und 50. Alle bemüht, alles richtig zu machen für einen schlanken, straffen Body. Da ist Anstrengung in den Gesichtern, aber auch Müdigkeit und Resignation.
Szenenwechsel. Letzten Sonntag war ich bei Körperforscherin Ilan Stephani bei einem Workshop. Es ging um den Umgang mit Geld, Reichtum und Fülle. Vor allem aber um den Umgang mit unserer Wildnatur, unserer Körperlichkeit und unserer Potenz auf allen Ebenen.
Wir waren Frauen, die wieder anfingen, ihren Körper wirklich zu bewohnen anstatt ihn nur zu trainieren und aufzuhübschen.
Wir waren Frauen, die sich richtig intensiv spürten, anstatt im Kopf die Einkaufsliste durchzugehen.
Wir waren Tigerinnen, die ihre Grenzen kennen und ihr Revier verteidigen, anstatt lieb und nett zu glauben, andere würden sich an Grenzen halten die wir selbst nur vage ahnen und nicht klar definieren.
Was macht Lebendigkeit und Intensität aus? Was haben wir im Workshop gemacht, was durchaus auch im Fitness-Center einfließen könnte, wenn wir nur darüber Bescheid wüssten und uns trauen würden?
- Schütteln
Regelmäßiges, bewusstes Schütteln des ganzen Körpers und besonders der Bereiche, die viel Anspannung festhalten (Handgelenke, Schultern, Becken,…) bringt uns wieder in ein lebendiges Vibrieren, in einen Zustand von „Mit-Energie-aufgeladen-Sein“, einen natürlichen Spannungszustand, der sagt: „Hallo Leben, was hältst du als nächstes für mich bereit?!“ - Tiefes, hörbares Atmen
Im Fitness-Center habe ich niemanden atmen gehört. Vielleicht weil die Musik so laut war. Wahrscheinlich weil kaum geatmet wurde. Wir sind es so gewohnt, gerade nur so viel zu atmen, dass wir nicht ohnmächtig umfallen, dass ein „Mehr“ an Atem und Energie sich schon bedrohlich anfühlt.
Es geht aber auch anders. Im Workshop war die Musik auch laut. Aber wir waren lauter. Geräuschvoll atmen. So viel Sauerstoff aufnehmen, wie nur geht. Das bringt Fülle in den Körper, der bis in die letzte Faser kribbelt und sich freut. - Klare Präsenz, bewusstes Wahrnehmen
Schütteln und Atmen lassen uns im Körper und im Augenblick präsent sein. Dann spüren wir auch, was uns gut tut, und was wir gerade brauchen. Ich habe es zum Beispiel während der Übungen im Fitness-Center immer wieder gebraucht, mich zu strecken und zu rekeln, um nicht verspannter wieder raus zu gehen als ich gekommen war. Und ich habe es einfach gemacht, habe mich nicht stur an die Vorgaben gehalten.
Ich konnte auch so präsent sein, dass ich gespürt habe, wie gut manche Bewegungen tun. Ich konnte meine Kraft und meine Lust auf mehr Intensität spüren. Ich war wirklich „da“ und nicht im Kopf ganz woanders.
Am Ende der Bauch-Bein-Po-Stunde war wenig Energiezuwachs zu spüren. Alle waren mehr oder weniger froh, es hinter sich zu haben.
Am Ende des Workshops war ein Strahlen und Vibrieren im Raum. Ich schaute in wache, offene Augen und auf weiche und doch kraftvolle, flexible Körper. Auch die Gesichter leuchteten.
Das ganze Leben „juicy“ machen
Nein, meine Lösung ist nicht, nicht mehr ins Fitness-Center zu gehen. Gezieltes Krafttraining ist für uns Schreibtischtäterinnen, die nicht mehr täglich viele Kilometer im Dschungel zurücklegen und körperliche Arbeit machen, wichtig. Ich würde nur gerne mehr Lebendigkeit, Körperbewusstsein und so richtig „juicy“ Lust am Bewegen auch in diesen Raum bringen. Auch dort wilde Frauen sehen, die während und nach der Stunde auch mal dröhnend lachen, einander umarmen und schwitzend und zufrieden mit sich und der Welt, aufrecht und mit wiegenden Hüften in Richtung Dusche stolzieren…
Ja, die Präsenz im Körper und damit im Leben erfordert auch Aggression. Zupacken, einfordern was einem zusteht, den eigenen Raum einnehmen, den eigenen Wert selbst bestimmen. Nicht mehr lieb und harmlos. Mit Zähnen und Krallen und auch mal fauchen. Aber auch füreinander einstehen, einander ermutigen und den Rücken stärken.
Es geht nicht ohne auch mal zu stolpern
Auch ich wurde zum lieben, netten, angepassten Mädchen erzogen. Und es pisst mich immer mehr an. Niemand hat uns beigebracht, klar und mutig unsere Welt zu erobern. Deshalb machen wir bei unseren ersten Schritten Fehler, ecken an, steigen anderen auf die Zehen und verletzen sie und uns selbst. Wir machen uns unbeliebt, stoßen andere vor den Kopf und trampeln unbewusst über Grenzen. Das tut weh und ist ok.
Lasst uns uns selbst und anderen immer wieder verzeihen, Mut machen und zusammen weitergehen. Wir sind Pionierinnen auf unserem Weg, in einer sehr privilegierten Welt, die es uns überhaupt möglich macht, uns relativ gefahrlos auszuprobieren. Und doch ist es riskant. Wir wollen alle dazugehören, geliebt werden, stellen das Wohl der anderen über unser eigenes.
Dran bleiben – jeden Tag
Tief atmen. Den Dschungelboden unter den Füßen spüren. Körperin sein. Tigerin sein. Schütteln, um die Erstarrung aufzubrechen. Und dranbleiben. Jeden Tag. Das habe ich mir mitgenommen vom letzten Sonntag und das möchte ich weitergeben an meine Schwestern.
Wilder Gruß und warmer Pfotendruck!
Foto: Adina Voicu bei pixabay
Dankeschön für einen tollen Impuls! ❤️🍀 R.
Sehr gerne! 🙂